09.04.2025

The Dark Side of Venetian Opera: Demonological Undercurrents in Seventeenth-Century Librettos

Laufzeit
48 Monate (Beginn: 06/2025)

Förderung & Finanzierung
Österreichischer Wissenschaftsfonds (FWF); Fördersumme: €452.123,66

Beteiligte Personen & Institutionen
Projektleitung: Dr. Sara Elisa Stangalino

Projektinhalt
Die venezianische Oper des 17. Jahrhunderts war nicht nur ein Schauplatz musikalischer Innovation, sondern auch ein Spiegel gesellschaftlicher, politischer und ideologischer Debatten. Während die Oper in Venedig als kommerzielles Unterhaltungsmedium florierte und eine breite Öffentlichkeit erreichte, griffen ihre Libretti oft auf literarische, philosophische und religiöse Diskurse ihrer Zeit zurück. Dieses Forschungsprojekt untersucht erstmals systematisch die Verbindung zwischen den poetischen Operntexten und der zeitgenössischen dämonologischen Literatur, insbesondere inquisitorischen Schriften, die sich mit Hexerei, Magie und Dämonenglauben befassten.

Ein zentrales Element der Untersuchung ist Jean Bodins Démonomanie des sorciers (1580), ein bedeutendes Werk zur Dämonologie und Hexenverfolgung, das in Venedig in italienischer Übersetzung erschien und trotz eines päpstlichen Verbots weiterhin zirkulierte. Die Forschung geht der Frage nach, inwieweit dieses und ähnliche Werke Einfluss auf die Gestaltung von Operntexten hatten. Durch die Analyse von mehr als 400 erhaltenen venezianischen Libretti werden dramaturgische Muster identifiziert, die auffällige Parallelen zu den Vorstellungen und Erzählstrukturen der inquisitorischen Literatur aufweisen. Besonders im Fokus stehen wiederkehrende Motive wie die Beschwörung von Geistern, magische und divinatorische Rituale und dämonische Verführung, die in der Oper nicht nur als Unterhaltungselemente, sondern darin zugleich auch als Spiegel der zeitgenössischen gesellschaftlichen Auseinandersetzung fungierten.

Ein zentraler Aspekt des Projekts ist die Untersuchung der Rolle dieser Themen im spezifischen Kontext der venezianischen Gesellschaft. Im Gegensatz zu vielen anderen Teilen Europas, in denen die Inquisition eine dominante Rolle bei Hexenprozessen und religiöser Verfolgung spielte, bewahrte Venedig eine weitgehend unabhängige Haltung, begrenzte den Einfluss der Kirche und ermöglichte eine größere intellektuelle und künstlerische Freiheit. Dieses einmalige Umfeld ermöglichte es Librettisten und Komponisten, solcherlei Themen in einer kontrollierten, künstlerischen Form aufzugreifen und zu reflektieren.

Das Forschungsprojekt trägt dazu bei, ein tieferes Verständnis für die Interaktion zwischen Oper und Gesellschaft zu entwickeln. Es zeigt, wie populäre musikalische Dramen nicht nur zeitgenössische Ängste und Überzeugungen widerspiegelten, sondern auch aktiv zur Verbreitung und Transformation kultureller Vorstellungen beitrugen. Die Ergebnisse dieser Studie sind nicht nur für die Musikwissenschaft, sondern auch für die Kulturgeschichte, die Literaturwissenschaft und die Religionsgeschichte von Bedeutung. Darüber hinaus bieten sie neue Perspektiven für die Interpretation und Inszenierung historischer Opernwerke, indem sie deren tiefere symbolische und ideologische Ebenen sichtbar machen.

Bild: L’Armida nemica, amante e sposa (Venezia, Francesco Salerni e Giovanni Cagnolini, 1669) I-Bc, Lo05907_047